DER WALD ALS LEBENSRAUM FÜR UNSER WILD
Von Joachim Orbach
Bereits 1985 im Vorwort zur 9. Auflage von Das Rehwild (von Ferdinand von Raesfeld) schrieben Alfred Hubertus Neuhaus und Dr. Karl Schaich:
„Wir wurden aber auch – selbst bei sehr kritischer Betrachtung – in unserer Auffassung bestärkt, dass die Forderung, ‚um unseren schönen Wald zu retten, 9 von 10 Rehen abzuschießen‘, bösartiger Unsinn ist und schlecht zu den bewegten Klagen über die Ausrottung von Wildarten in der Vergangenheit passt!
Das sogenannte Rehwildproblem ist keines, wenn die heute vorliegenden Erkenntnisse vorurteilslos von allen Beteiligten berücksichtigt werden und endlich Fairness und wissenschaftliche Objektivität die Debatten prägen, wenn Waidgerechtigkeit als jagdbestimmendes Kulturgut wieder respektiert wird und Charakterfestigkeit in Wort und Tat, auch beim vielleicht nötigen Reduktionsabschuss, Töten um jeden Preis verhindert.“
Zum Thema WILD IM WALD hatte die deutsche Delegation im CIC eine Studie in Auftrag gegeben. Hierzu hat Prof. Dr. Dr. Sven Herzog 2023 eine Standortbestimmung (Wild im Wald) im Auftrag für den CIC verfasst. Nachfolgend die von Prof. Dr. Dr. Herzog dargelegten fünf Schritte auf dem Weg zu einer Waldwirtschaft mit Wildtieren:
- Definition von Verjüngungseinheiten und Ruhebereichen
Aus waldbaulicher Sicht ist eine Planung der Verjüngungsflächen zumindest für etwa eine Dekade gute fachliche Praxis. Abhängig davon, ob das Jagdausübungsrecht verpachtet ist, sollte diese bereits unter Hinzuziehung des Jagdpächters erfolgen. Gleichzeitig sollten für diesen Zeitraum Wildäsungsflächen ausgewiesen und Wildruhezonen definiert werden. Empfohlen werden entsprechende Flächen im Umfang von jeweils mindestens fünf Prozent der Waldfläche. Aktuell in großem Umfang vorhandene Schadflächen aus Windwurf und Borkenkäferkalamität erleichtern die Einrichtung derartiger Flächen immens. Für die Verjüngungsflächen ist festzulegen, ob diese naturverjüngt werden sollen oder durch Pflanzung oder Saat (oder eine Kombination aus diesen Verfahren). Darüber hinaus ist zu definieren, welche Baumarten einbezogen werden und welche Schutzmaßnahmen gegen Verbiss vorgesehen sind. Dabei ist dem Einzelschutz einzubringender Mischbaumarten grundsätzlich der Vorzug gegenüber flächiger Zäunung zu geben. Die Kosten dafür sind zu kalkulieren. - Erarbeitung eines geeigneten Jagdkonzepts
In einem zweiten Schritt ist das vorhandene jagdliche Regime zu prüfen. Welche Ziele bestehen (im Fall der Verpachtung) bei Jagdpächtern, wie können diese in die forstlichen Zielsetzungen integriert werden, welche Kosten und Erträge entstehen durch die Jagd, welche Personen sind wie eingebunden? Ausgehend von der waldbaulichen Situation (s. o.) ist ein alternatives Jagdkonzept zu erstellen. Dieses kann im Falle forstlicher Zielsetzungen beispielsweise eine Form der Schwerpunktbejagung sein, die weitgehend oder ausschließlich auf die Verjüngungsschwerpunkte beschränkt ist. Gleichzeitig sind die Ruhezonen und Äsungsflächen konsequent jagdlich zu beruhigen. Die übrigen Flächen, die keine Verjüngungsschwerpunkte darstellen, können je nach waldbaulicher Situation extensiv bejagt werden (z. B. wenige Gemeinschaftsansitze oder eine Drück-Stöber-Jagd). Die Jagdzeit auf wiederkäuendes Schalenwild sollte synchronisiert in der Zeit zwischen August und Dezember stattfinden. Auf die Schalenwildbejagung im Frühjahr und Spätwinter ist zu verzichten. Das sollte im Wald (!) auch für das Schwarzwild gelten. Auch für dieses Jagdkonzept sind die Kosten zu kalkulieren und denjenigen des Status quo sowie den eventuell erforderlichen Schutzmaßnahmen gegenüberzustellen. - Monitoring
In den Verjüngungsflächen sind langfristige Trakte anzulegen, um in regelmäßigen Abständen den Verjüngungsfortschritt zu überprüfen. Die Jagdstrecken sind abteilungsscharf nach Wildart, Alter und Geschlecht zu analysieren. Darüber hinaus sind im Falle lokal unterschiedlicher Interessenlagen auch weitere Maßnahmen zur Schalenwilderfassung regelmäßig durchzuführen. - Fortschreibung der Planung
Spätestens nach den ersten fünf Jahren sind der Erfolg der Maßnahmen sowie eventuelle Probleme zu dokumentieren. In Abhängigkeit davon sind – sofern nicht außergewöhnliche Ereignisse das Handeln bestimmen – die zukünftigen Verjüngungsflächen für die nächste Dekade zu planen und eventuelle Risiken in den aktuellen Flächen, die dem Äser entwachsen sind (Schäle!), für die Zukunft zu berücksichtigen. - Partizipation und Kommunikation
Das oben beschriebene Vorgehen ist in den meisten Betrieben anwendbar, sofern Grundbesitz und Jagdausübungsrecht in einer Hand liegen. Es erfordert die Fokussierung der jagdlichen Ressourcen eines Forstbetriebes auf die waldbaulichen Ziele. Rein jagdwirtschaftliche Ziele (Einkünfte aus Trophäenjagd oder Verkauf von Drückjagdständen) dürfen im Falle waldbaulicher Priorität keine Rolle spielen. Bei verpachtetem Jagdausübungsrecht ist das Vorgehen in enger Zusammenarbeit mit dem Jagdpächter abzustimmen, bei Neuverpachtungen sollte ein solches Vorgehen im Pachtvertrag verankert werden. Spezielle forstliche Situationen (z. B. extrem kleinflächig bewirtschaftete Plenterwälder) erfordern grundsätzlich mehr beidseitige Kommunikation. - Die Einbindung weiterer Akteure, idealerweise im Rahmen eines partizipativen Ansatzes, schafft zusätzliche Optionen. So können Vertreter der Gemeinde oder des Tourismusverbandes in die Erstellung von Wegekonzepten eingebunden werden. Lokal auch tagsüber erlebbare Wildtiere sind möglicherweise ein Argument, sich einzubringen. Auch die Interessen von Landwirtschaft (z. B. Unterstützung bei der Schwarzwildbejagung im Agrarland) oder Naturschutz (z. B. Nutzungsverzicht in den Ruhezonen) können über Partizipation integriert werden.